frauen auf dem deutschen arbeitsmarkt
Pressemeldungen

Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt – Immer noch im Rückstand?

Aufholen statt Einholen – Erfolgsgeschichte leider nur Ausnahme

Anlässlich des Equal Pay Days am 18. März veröffentlichte Bertelsmann eine Langzeitstudie zum Thema „Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt“. Auf den ersten Blick sind Frauen besser ausgebildet, arbeiten mehr als je zuvor und verfügen über deutlich mehr Einkommen als noch vor 40 Jahren. Dennoch zeigen die Ergebnisse der Studie, dass Frauen immer noch der Einkommensentwicklung von Männern hinterher hinken. Handelt es sich bei den Ergebnissen tatsächlich immer noch um eine Ausnahme und kein Alltagsphänomen? Was sind die wahren Gründe dafür und wie können Frauen selbst aktiv dagegensteuern?

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Quelle: Bertelsmann Stiftung

Männer liegen beim Gehalt immer noch weit vorn, obwohl Frauen eine bessere Ausbildung genießen und häufiger arbeiten. Der Weg, die Einkommenslücke größtmöglich anzugleichen, ist lang,steinig und noch lange nicht abgeschlossen. Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben in Sachen Gehalt in den letzten Jahren zwar deutlich aufgeholt, doch das Einholen ist bis jetzt noch nicht gelungen, wie die Ergebnisse der Studie zeigen. Als Grund für die Kluft zwischen den Gehältern führt die Studie u.a. an, dass Frauen immer noch Jobs annehmen, für die sie überqualifiziert sind und stattdessen häufiger Berufe mit deutlich geringeren Löhnen ergreifen. Darüber hinaus arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit als Männer; die Zahl der Wochenarbeitsstunden ist im Vergleich zum Anteil an der Erwerbstätigkeit nur geringfügig gestiegen.

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Quelle: Bertelsmann Stiftung
Einkommensunterschiede trotz gleichem Bildungsniveau – kaum Änderung zu 1976

Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt – Realität oder Ausnahme?

Michaela Heinze, Netzwerkerin und seit zehn Jahren Herausgeberin des Frauenbranchenbuchs OWL, im Interview zur Bertelsmann-Studie:

Die aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung „Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ untersuchte die Gehaltssituation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland. Wie erklären Sie sich das Phänomen, dass aktuell mehr Frauen erwerbstätig sind als je zuvor, aber die Unterschiede in den Bruttoverdiensten deutlich zunehmen?

Michaela Heinze: Frauen wollen heute Ihre Zukunft mitgestalten und sind bestens qualifiziert. Nach Ausbildung und Studium bewerben sie sich auf adäquate Stellen. Im Gegensatz zu Männern steigen Frauen jedoch weniger konfrontativ in Gehaltsverhandlungen ein und geben sich eher mit weniger zufrieden. Männer loten Gehaltsspielräume aus und steigen bei den Verhandlungen per se höher ein.
Dieser Umgang zeugt von einem stärker ausgeprägten Selbstbewusstsein, was die eigenen Fähigkeiten betrifft. Frauen sollten sich selbst gegenüber stärker deutlich machen über welche Kompetenzen sie verfügen und diese bei Verhandlungen „mit in die Waagschale werfen.“

Wieso arbeiten Frauen immer noch häufiger als Männer in Jobs, für die sie eigentlich überqualifiziert sind?

Michaela Heinze: Wenn Männer Karriere machen wollen, verfolgen sie einen strategischen Plan. Dazu gehört es, zu wissen, welche Tätigkeiten auf dem Weg in Führungspositionen hinderlich sein können, und welche wiederum förderlich. Ich glaube, dass Frauen häufig zu wenig darüber nachdenken, welche Strategie sie verfolgen müssen, um im Job voran zu kommen.

Spielen bei Karriereentscheidungen von Frauen immer noch Faktoren wie gesellschaftliche Normen und fehlende Kinderbetreuung eine große Rolle?

Michaela Heinze: In unserer Gesellschaft ist meiner Meinung nach ein Umdenken in vielen Bereichen nötig, um Karriere und Familienleben für Männer UND Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gleichermaßen entwickeln zu können. Warum ist es in vielen Bereichen immer noch undenkbar, dass Führungsaufgaben in Teilzeit, z. B. von Doppelspitzen, die männlich und weiblich besetzt sind, übernommen werden können?
Zudem ist es heute so, dass die Elternzeit zwar für 2 Monate auch von Männern in Anspruch genommen wird, aber längere Zeiten, darüber hinaus, werden in der Regel von den Frauen absolviert. Der Grund: Männer verdienen besser und der finanzielle Verlust ist größer, wenn der Mann zuhause bliebe. Bei gleicher Bezahlung, bzw. gleich qualifizierten Jobs würde sich diese Frage nicht stellen.

Wieso ist Familienplanung in Deutschland immer noch ein Karrierekiller und was können Frauen aktiv tun, um am Ball zu bleiben?

Michaela Heinze: Frauen können ihre Karriere aktiv mitgestalten, wenn sie gleichzeitig Kinder bekommen möchten. Hier ist es wichtig sich einen Plan zu machen, ja regelrecht eine Strategie zu entwickeln.

Ein Beispiel: Eine Entwicklungsingenieurin, die in einer Führungsposition bei einem Global Player arbeitet, möchte ein Kind bekommen. Sie spricht sich zunächst mit einem Kollegen ab, der in einer ähnlichen Position und im selben Bereich, wie sie arbeitet. Beide entwickeln eine Strategie, wie die Arbeitsanforderungen während der Elternzeit mit dem Team des Kollegen aufgefangen werden können und wie es nach Ende der Elternzeit weitergehen kann. Mit diesem fertigen Plan in der Tasche bespricht die Ingenieurin ihre Familienplanung mit ihrem Vorgesetzten.

Sie lässt also nicht alles auf sich und damit auf ihren Vorgesetzen zukommen, sondern hat eine durchdachte Strategie entwickelt, die es dem Unternehmen einfacher macht, mit dem Ausfall und Wiedereinstieg der Mitarbeiterin umzugehen.

Wie können Frauen durch aktives Netzwerken ihre Karriere vorantreiben?

Michaela Heinze: Netzwerken bedeutet aktiv im Kontakt und Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, Kundinnen und Kunden, Vorgesetzen, aber auch Branchenfremden zu sein. Es ist immer sinnvoll auf dem Laufenden zu bleiben, was gerade im näheren, aber auch im weiteren Umfeld passiert.

Ein Beispiel: eine Hochschulprofessorin, die Mutter geworden ist, hält während ihrer Elternzeit regelmäßig den Kontakt zu befreundeten Dozentinnen und Dozenten an ihrer Hochschule. Diese haben sie darüber informiert, was an der Hochschule in der Zwischenzeit passierte. Z. B. das es Dozentinnen und Dozenten gab, die die Seminare und Vorlesungen, die die Professorin an der Hochschule veranstaltete, während ihrer Abwesenheit übernehmen wollten. Hätte sie diese Informationen nicht bekommen, so wäre sie nach der Elternzeit in der Situation gewesen, dass nur noch Vortragsangebote vorhanden gewesen wären, die karrieretechnisch wenig spannend sind. Sie hätte quasi von Null an beginnen müssen.

Was ich damit sagen möchte ist, dass mir das Netzwerken die Möglichkeit gibt, an informelle Informationen zu kommen, die mir Wettbewerbsvorteile bieten können.

Leider ist es immer noch so, dass Frauen zwar im Privaten wunderbar netzwerken können, sie es aber im Beruflichen wenig für sich nutzen.

Woran liegt das, dass Frauen Netzwerke weniger für sich nutzen?

Michaela Heinze: Frauen empfinden es moralisch eher verwerflich ein Netzwerk für sich zu nutzen. Sie sind der Meinung, dass sie es nicht brauchen. Sie wollen es aus eigener Kraft schaffen. Im Privaten empfehlen wir und bekommen Empfehlungen, die wir gerne annehmen. Z. B. wo es einen guten Physiotherapeuten gibt oder einen tollen Bioladen. Wir helfen bei der Suche nach einer Wohnung für die Nichte oder einen Ausbildungsplatz für den Sohn der Freundin. Im beruflichen Kontext hat das Netzwerken für Frauen häufig den Makel, nicht gut genug gewesen zu sein, um es alleine zu schaffen. Dabei verstellen Frauen sich selbst den Blick. Z. B. beim Erkennen von Gönnern und Förderern.

Es gibt immer Menschen in unserem Umfeld, die uns wohlgesonnen sind und die uns unterstützen. Wenn wir das erkennen und annehmen können sind wir schon einen großen Schritt weiter.

Das Interview führte Laura Wefel.

Hier gelangen Sie direkt zur Bertelsmann-Studie Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt.