Gender Diversity - Die AsF-Vorsitzende Sally Lisa Starken in der nette30 zum Gespräch mit Michaela Heinze
Presse

Alte Herren in grauen Anzügen – Gender Diversity in der Politik

Wie Europakandidatin Sally Lisa Starken das Image der Politik verändern will

Die wilden 68er sind vorbei. Bierernster Feminismus – das Gespenst aus den 1980ern – lange vergessen? „Emanze“ nur noch ein Schimpfwort für vermeintlich zu kurz gekommene Frauen? Die Debatte um den Abtreibungsparagraphen, eine Ausgeburt der 70er Jahre? Vorbei die Bilder von Frauen die kampfbereit mit dem Schlachtruf „Mein Bauch gehört mir“ auf die Straße gingen, um für ihre Selbstbestimmung und die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen zu demonstrierten. Frauenbewegung und Gender Diversity – alles von gestern? Alles vergessen? Alles erreicht?

„Politik muss nicht uncool sein“

Keineswegs findet, Sally Lisa Starken, 27 Jahre jung, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) und frisch gewählte Europakandidatin. Es gäbe „noch viel zu tun“, und es sei „noch lange nicht alles erreicht bei der Gleichstellung von Frauen“, sagt sie und schließt dabei die eigene Partei nicht aus. Mit 33 % Frauenanteil in der SPD sind die „alten Herren in ihren grauen Anzügen“ noch immer in der Mehrheit. Das will Sally Lisa Starken ändern: „Ich will mich einbringen, etwas für uns Frauen verändern und zeigen, dass Politik machen nicht uncool sein muss“. Dieser Ansatz eint die Mitgliederinnen der AsF. Und das sind nicht weniger als 150.000 Frauen bundesweit, nämlich alle weiblichen Parteimitglieder der Sozialdemokraten. „Frauen werden mit Eintritt in die SPD automatisch Mitglied der Arbeitsgemeinschaft“, erklärt Starken, „mitwirken kann aber jede interessierte Frau; toll ist es, wenn sie dann irgendwann in die Partei eintritt.“

Gender Diversity – „Viele denken beim Feminismus noch an die lila Latzhose.“

Entscheidend seien die Themen, mit denen die AsF neue Mitstreiterinnen begeistern will, so Starken, „Themen, die für junge Frauen relevant sind und deren Leben betreffen“. Und die unterscheiden sich im Wesentlichen gar nicht so sehr von den Themen der „Alt-68er“. Equal Pay, Gewalt an Frauen, Geschlechtergerechtigkeit, Abtreibung. Trotzdem haben junge Frauen heute weniger Interesse an feministischen Themen und Gender Diversity als deren Vorreiterinnen der Frauenbewegung, stellt Sally Lisa Starken fest, die sich als Feministin bezeichnet. „Viele denken beim Feminismus noch an die lila Latzhose.“ Von solchen Vorurteilen lässt sie sich nicht entmutigen und diskutiert mit jungen Frauen ihrer Generation. „Warum bestimmen andere Menschen, was mit meinem Körper geschieht?“, fragt Sally Lisa Starken in Bezug auf die Abtreibungsparagraphen 218 und 219a, „oder warum bekomme ich weniger Gehalt als meine männlichen Kollegen?“

Mit 22 Jahren trat Starken in die SPD ein. Aufgewachsen in einer politisch engagierten Familie führte ein Erlebnis beim Eintritt ins Berufsleben zu diesem Schritt. Ein Vorgesetzter nutzte seine Position in einer Weise aus, die schon zu dieser Zeit, aber spätestens seit der „MeToo-Debatte“ im kollektiven Zeitgeist nicht mehr als harmlose Frotzelei zu werten war. Sie suchte und fand Rat und Unterstützung auf den Treffen der AsF. Heute weiß sich Sally Lisa Starken zu wehren und kann anderen Frauen mit ihrer Erfahrung bei den wichtigen Fragen weiterhelfen: „Wie erkenne ich Sexismus am Arbeitsplatz und an wen kann ich mich wenden, wenn ich betroffen bin?“

„Frauen erreichen, die sonst nicht erreicht werden“

Das verstaubte Image der Politik abzulegen und zu zeigen, dass politische Arbeit Spaß machen kann, ist ihr ein wichtiges Anliegen. „Wir arbeiten viel mit Projekten, um auf unsere Themen aufmerksam zu machen und junge Frauen anzusprechen“, so Starken. Das von der AsF bundesweit durchgeführte Projekt „Gewalt im Schatten“ machte 2017 im Rahmen einer eindrucksvollen Gender Diversity Fotoausstellung, die in Bielefeld durch den Bildjournalisten Veit Mette umgesetzt wurde, körperliche und seelische Gewalt an Frauen sichtbar und zeigte Wege zur Hilfe auf. „Wir wollten das Thema in der Öffentlichkeit sichtbar machen und Frauen erreichen, die sonst nicht erreicht werden“, bringt Sally Lisa Starken das Projektziel auf den Punkt. Dies geschieht natürlich auch unter Einbindung der Social Media Kanäle. Mit „Zeig Dein Gesicht“ thematisierte der Bielefelder AsF mit doppeldeutigen Sprüchen, wie „Bescheiden ist nur mein Kontostand“ und dem Hashtag #zeigdeinGesichtfürEqualPay, die Forderung nach Equal Pay, also Lohngerechtigkeit in Deutschland.

„Drüber reden, wenn etwas nicht gut läuft.“

„Politik machen kann man lernen“, so Sally Lisa Starken, „wir arbeiten viel mit der Friedrich-Ebert-Stiftung zusammen.“ Kurse, z. B. zur Rhetorik oder zum Rede-schreiben, finden sowohl regional als auch bundesweit statt und vermitteln das Handwerkszeug für eine erfolgreiche Politikarbeit. Und nicht zuletzt finden Austausch, Wissenstransfer und Vernetzung auf den Treffen der SPD-Frauen statt. „Hier kann ich drüber reden, wenn etwas nicht gut läuft oder ich Verstärkung bei einer Sache brauche“, so Starken, denn „dass man drüber redet ist wichtig. Männer machen das schon immer.“

Text: Michaela Heinze | Foto: Katja Eßer

Bildunterschrift: Michaela Heinze und Sally Lisa Starken